WELTKUNST August 2020
Exhibition Opening of Rosemarie Trockel
“A Gift of My Parents”
In the exhibition A Gift of My Parents (May 7, 2020 – January 2021), Galerie Vera Munro presents new works by the artist Rosemarie Trockel. The artworks were created for the occasion of the first exhibition of the Nick and Vera Munro Foundation, where they will be shown publicly for the first time. The pieces are then donated to a museum collection. The exhibition will be accompanied by a publication with texts by Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig, Cologne) and Brigid Doherty (Princeton University, USA).

Kunstzeitung Mai/Juni 2020
Wer die Arbeit des in London lebenden Malers Paul Winstanley etwas kennt, ist vielleicht überrascht vom erweiterten Spektrum malerischer Techniken, Sujets und Stile, das er in „Altered States“, seiner vierten Einzelschau bei Vera Munro, entfaltet. Ist man in die Bildwelt erst etwas eingetaucht, wird erkennbar, wie subtil er unterschiedliche Malweisen und Motive kombiniert und auch, wie sich Zeitebenen darin überlagern und kreuzen. Neben minutiös auf Holz gemalten Bildern von erhaben weitläufiger Kathedralenarchitektur, etwa in New Age 1 (After Saenredam) (2017), zeigt er mit Apostasy (Celestial Friend) und Apostasy (Demons Out) (beide 2019) auch Bilder eines modernistisch nüchternen Museumssaals von heute, in dem die berühmten Fra Angelico-Gemälde Engel der Verkündigung und Maria der Verkündigung (beide 1420 / 25) hängen. Es sind Bilder im Bild, buchstäblich Fenster in eine andere Zeit – auch in ein Jenseits von Zeit. Winstanley verwendet für die Bildzitate Blattgold, was den Motiven eigenen Raum verschafft; das Museumspublikum, in fotografischer Unschärfe gemalt, ist dieser Sphäre wie flüchtige Gegenwart gegenübergestellt.
Insgesamt ist das Bild raffinierte Fiktion: Die Gemälde Fra Angelicos, beheimatet in der Münchner Pinakothek, hat Winstanley qua Malerei in den Ungers-Bau der Hamburger Kunsthalle versetzt. Mit Reproduction 1 (2019), einem kleinen goldfarbenen Diptychon, greift Winstanley die beiden Motive nochmals separat auf. Lilies 1 und Lilies 2 (beide 2019), ebenfalls in Öl auf Holz gearbeitete kleine Formate, zeigen Lilien – nicht in sakraler Darstellung zwar, doch im Kontext des Verkündigungs-Motivs erscheinen sie unweigerlich religiös konnotiert. Einen anderen Duktus bringen die in Öl auf Leinwand ausgeführten Großformate Altered States 4 und Altered States 5 (beide 2019) ins Spiel: Auch hier geht der Blick in einen Sakralraum, zwei Personen stehen unterhalb eines großen Fensters im Gegenlicht. Doch während die kleineren, veristisch präzisen Raumdarstellungen auf weit gefasste Blickachsen ausgelegt sind, gehen die großen Formate stärker ins Close-up, lösen das Motiv zudem in weiche Kontur und flirrende Unschärfe auf – lichtblau das eine, das andere kalt orange. Mit Frame (2016), einem späten Werk aus der Serie „Art School“, wird das Spektrum der Schau noch stärker geöffnet: Raum ist hier nahe-zu abstrakt, reduziert aufs irreguläre Raster, das man bald als Überlagerung von Rahmenkonstruktion und Fensterfront entziffert. Auch dies ein Raum aus Licht und Überblendung, nüchtern, aus kaum mehr gebaut als Weiß und Gelb.
Bei den Kirchendarstellungen fällt wiederholt After Saenredam als Titelbestandteil auf. In der so benannten, 2016 begonnenen Serie bezieht sich Winstanley auf den niederländischen Architekturmaler Pieter Janszoon Saenredam (1597 – 1665), der stets nur existierende Gebäude abgebildet und dabei mit innovativen Mal- und Vermessungstechniken gearbeitet hat. „Als Maler hat er mich immer interessiert“, so Winstanley, „seine Sensibilität und seine Kriterien für Entscheidungsfindungen sind mir nahe.“ In diesem Zusammenhang stieß er auf ein Buch über Saenredams Aufenthalt in Utrecht 1636, wo er die dortige Mariakerk studiert hatte. Winstanley beschreibt das Buch als „ziemlich forensisch“, es behandele detailliert sämtliche Werke, die im Kontext des Aufenthalts entstanden sind und überdauert haben. Darin sind auch zwei Zeichnungen publiziert, die ihn gleich faszinieren: eine vom Innenraum der Kirche sowie eine später entstandene perspektivische Projektion derselben Ansicht, versehen mit Anmerkungen zu einem Gemälde, das Saenredam daraufhin offenbar angefertigt hatte. Das Gemälde ist heute verloren. Von da aus beginnt Winstanley seine mittlerweile siebenteilige Werkgruppe als komplexes Gespinst aus Recherche und Fiktion: „Ich machte es mir zur Aufgabe, das verlorene Gemälde anhand der Zeichnungen zu imaginieren und neu zu erschaffen“, sagt er.
Das Projekt führt in mehrere Richtungen: So ergibt sich etwa aus den Zeichnungen, dass es mindestens drei weitere Gemälde der Mariakerk gab, die verloren gegangen oder nicht ausgeführt worden waren. Winstanley entwickelt diese Perspektive u. a. in New Age 1 (After Saenredam). Zudem lassen sich aus dem Material Ansichten rekonstruieren, die möglich gewesen wären, die Saenredam aber nicht aufgegriffen hatte. Auch hier forscht Winstanley weiter, malt daraufhin Solaris (After Saenredam) und Ark (After Saenredam) (beide 2018). Dass die Mariakerk Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde, noch vor Erfindung der Fotografie, lässt das Projekt für ihn nach eigener Aussage noch abstrakter werden, denn außer wenigen Gemälden und Zeichnungen gibt es keine Dokumentation. Für seine Malerei entdeckt Winstanley darin die Möglichkeit, Rekonstruktion und Imagination zu etwas Neuem umzuschmelzen. Wenn er etwa in New Age 1 (After Saenredam) ein modernistisches Buntglasfenster in die Darstellung einfügt, dann ist das ganz und gar nicht historisch gedacht. Aber eben vorstellbar, würde die Kirche heute existieren.
Jens Asthoff

Bericht über PAUL WINSTANLEY’s Ausstellung Altered States in Hamburg
Kunstforum International Bd. 265 Jan. – Feb. 2020

Paul Winstanley, New Age 1 (After Saenredam), 2017, Öl auf mit Gesso grundiertem Holz, 114 x 76 cm, Courtesy: Galerie Vera Munro und der Künstler
KOHEI NAWA AT THE LOUVRE PYRAMIDE IN PARIS
Until the 14 January 2019, a bigger version of KOHEI NAWAs sculpture Throne is exhibited in the pyramid of the Louvre in Paris.
»Mid-Career Artists« – dieser Begriff hat bei Vera Munro einen Zauber. Die Hamburger Galeristin, international renommiert für ihr über die Jahrzehnte entwickeltes Programm, beschreibt damit ihre Strategie. Die »MidCareer Artists« haben bewiesen, dass ihr Werk keine Eintagsfliege ist, gleichzeitig liegt noch ein perspektivenreicher Weg vor ihnen. Doch wie erkennt man in der Flut der Positionen Qualität und Potenzial? Die traurige Antwort lautet wohl: Man hat das Talent dazu, oder man hat es nicht. Vera Munro ist auf der Seite der äußerst Talentierten. Ihr Gespür macht sie zu einer Rosinenpickerin der Künste, die von Hamburg aus in die Kunstwelt hineinwirkt. Sie berät Sammler, ist auf einigen der bedeutenden Messen vertreten und versteht es zugleich, in ihrem Heimathafen Hamburg Ausstellungsakzente zu setzen, die an anderen Galerien vorbeigehen.
Dabei hätte es auch ein anderer Standort werden können: Früh zog es sie als gefragtes Model nach London und New York. Ihre Aufenthalte nutzte Munro auch, um Kunst und Künstler kennenzulernen. Sie baute ein Netzwerk auf, erdete sich mit einer kaufmännischen Ausbildung und vertiefte ihr Wissen durch ein Kunstgeschichtsstudium.
Letztlich war es die Liebe, die sie in Hamburg hielt. Nicht zur Stadt, sondern zu ihrem zukünftigen Mann, dem Komponisten Nick Munro. So wurde sie mit ihrer Galerie heimisch und blieb. Die ersten Ausstellungen ab 1977 machte sie mit den Heroen der Avantgardekunst – mit Joseph Beuys, Cy Twombly oder Antoni Tapies. Später spürte sie gezielt Künstler auf, mit denen sie zusammenarbeiten wollte. Darunter waren Günther Förg, Helmut Dorner und Silvia Bächli.
Die Galerie in Hamburg-Eppendorf eröffnete sie 1985, mittlerweile hat die Gründerzeitvilla eine Ausstellungsfläche von 600 Quadratmetern, dazu gehört ein faszinierender Anbau im oberen Stockwerk. Lichtdurchflutet wird er selbst zur Skulptur. Für die Zusammenarbeit mit Künstlern, für das gemeinsame Kuratieren von Ausstellungen, hat sie eine kleine Wohnung eingerichtet.
Über die Jahre ist das Galeriehaus zu einem eigenen Kosmos geworden. Einern Gravitationszentrum für diejenigen, die das ernsthafte Gespräch und die intensive Auseinandersetzung mit der Kunst suchen. Wer hierherkommt, der will kein Galeriebesuchsprogramm abhaken, wie es anderswo oft der Fall ist. Das genießt Vera Munro und bringt ihren Besuchern als Dank eine ebensolche Wertschätzung entgegen.
FRANK G. KURZHALS

Zwischen den Welten
Ein Gravitationszentrum der Kunstszene: Vera Munro

